Zwei Wochen Wien und meine Bleibe befindet sich quasi – mitten im Prater. Bei der Ankunft setze ich mich auf das Bett, der Koffer steht unausgepackt neben mir. Gefühlt befindet sich die nächste Achterbahn über meinem Kopf, in der Realität ist sie rund 15 Meter entfernt. Für alle, die gerade in der Achterbahn sitzen, geht der Spaß los: Rattattattatta beim langsamen Hochfahren, ein lautstarkes Huhhhhh Windgeräusch am Kipp-Punkt und dann das einsetzende lautstarke Kreischen aller, die in der Achterbahn sitzen Uaaaaahhhhhhh. Ich lausche der Sequenz einmal, zweimal, dreimal und beginne auszurechnen: Der Prater öffnet je nach Wetter um die Mittagszeit und endet je nach Wetter so zwischen Mitternacht und 2 Uhr morgens. Ich bin zwei Wochen in dem Appartement: DAS.HALTE.ICH.NICHT.AUS.
Also ab zum Hotel-Appartement-Team-Chef-Des-Tages. Was ich dem Haus hochanrechne: Ich darf auf die andere Gebäudeseite umziehen und dort ein kleineres Appartement beziehen, dafür aber mit Balkon und gedämpften Pratergeräuschen. Aber: Der Umzug kann erst am Folgetag stattfinden, „der Wien-Marathon, Sie wissen schon, alles ist voll belegt.“ Also gehe ich erst mal im zweiten Bezirk was essen, in meinem Lieblingsbezirk ist das kein Problem, man findet immer irgendwo irgendwas Gutes. Danach schmeiße ich mich in den Pyjama und mach mich bettfertig. Inzwischen habe ich das Zählen aufgehört: Rattattattatta, Huhhhhh, Uaaaaahhhhhhh. Da ploppt ganz leise ein Bling auf meinem Handy auf. „Komm doch auf unsere WG- Cocktail-Tour. Gerade sind wir in einer Wohnung im zweiten Bezirk.“ Auch wenn ich mich riesig über die Nachricht meines Sohnes freue, tippe ich schon „Bin schon im Pyjama…“. In dem Moment ertönt wieder das Rattattattatta, Huhhhhh, Uaaaaahhhhhhh. Ich lösche den Text und schreibe: „Ich komme.“
Cocktailparty in der Studenten-WG
20 Minuten später befinde ich mich in einer schick hergerichteten Altbauwohnung Nähe Mexikoplatz, stehe in der Küche mit fünf Student*innen und trinke irgendwas hochprozentig Gemixtes. 40 Minuten später kommen wir auf das Thema Eis. Ein guter Freund meines Sohnes erzählt mir, dass er meinen Wien-Blog zwar gerne liest (Dankeschön!) aber mit meiner Wahl für das beste Eis in Wien absolut unzufrieden ist. Ob ich schon bei Carlo gewesen sei? Ja, war ich, aber ehrlicherweise quasi nur einmal so nebenbei und ohne gebührende Aufmerksamkeit. Ich verspreche, dass bei nächster Gelegenheit nachzuholen und auch, darüber im Blog zu berichten. Das mache ich heute, Max!
Die Party war übrigens mein Abendretter – ich habe mich in der Runde pudelwohl gefühlt, den einen oder anderen Cocktail, eine herzliche Runde und inspirierende Gespräche sehr genossen. Dafür, dass ich dazu so spontan eingeladen wurde, ein fettes Dankeschön. Als die Gruppe weiterzieht zur nächsten WG, mache ich mich auf den Weg in meine Bude, inzwischen ist es 2 Uhr und ich schlafe wie ein Baby und träume von Eis…
Gelato Carlo in Wien – ein Eis zum Niederknien
Die Gelegenheit zum Eistest bei Carlo nehme ich gleich am nächsten Tag wahr. Es regnet, es ist Montag, die meisten Museen sind zu. Was gibt es da Besseres, als in aller Ruhe ein Eis-Tasting vorzunehmen. (Am Rande bemerkt: Die Idee war goldrichtig, ich war noch einige Male bei Carlo während dieses Wien-Aufenthalts), jedes Mal bei Sonnenschein und die Eisdiele war brechend voll, die Schlange rund 10 Meter lang.
Gelato Carlo befindet sich am Hamerlingplatz 2 im achten Bezirk und hat täglich geöffnet von 12 bis 22 Uhr. Man erreicht den Hamerlingplatz einfach mit der Straßenbahn 2 in Richtung Dornbach und fährt bis zur Albertgasse. Von dort aus nach rechts laufen in Richtung Hamerlingpark. Gelato Carlo befindet sich gegenüber: https://gelatocarlo.com/
Die Eissorten von Carlo lesen sich wie ein Menü feinster Kräuter und Früchte. Man weiß gar nicht, wo anfangen. Je nach Verfügbarkeit der Zutaten werden die Sorten kreiert und zusammengestellt, das macht es so besonders. Das Eis schmeckt supercremig, manche Sorten haben eine ganz leicht salzige Note, die den Geschmack nochmals hervorhebt, aber so ausgewogen, dass es dem Gaumenerlebnis zum Vorteil gereicht. Es ist Verführung der feinsten Art und macht definitiv süchtig. Ein Satz noch zu dem Thema Stanitzel (oder deutsch Hörnchen), die sind bei Carlo mit Olivenöl gebacken, man muss sie auf jeden Fall probieren. Im Geschäft hängt ein Pressetext eingerahmt und während ich eine Riesenportion verdrücke, lese ich den Text in aller Ruhe. Wie gesagt, bei regnerischen 13 C˚ verirren sich nicht ganz so viele Kund*innen in die Eisdiele. Carlo ist Quereinsteiger, war einmal Designer und Produzent von Werbemitteln. Aber er ist, so schreibt Severin Corti in dem ausgehängten Text „ein Besessener, der bei der Güte der Zutaten und Maschinen (Cattabriga) extreme Wege geht…“ Das sagt eigentlich schon alles aus.
Klugscheißer-Wissen über Eis
Bevor es nun für jede*n, der sich im Augenblick des Blog-Lesens in Wien befindet ab zu Carlo gehen kann (Neid!), hier noch zum Schluss ein paar Wissensfetzen in Klugscheißer-Manier: Das erste Speiseeis gab es in China rund 3000 Jahre vor unserer Zeit. Die Speiseeis Erfinder sind somit entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht die Italiener. Die erste moderne Eismaschine mit Kurbelantrieb kam 1872 auf den Markt. Im 20. Jahrhundert folgte das elektrisch betriebene Pendant. Diese Informationen stammen vom Alimentarium, einem Schweizer Museum, welches Essen und Ernährung der Welt erforscht (www.alimentarioum.org) und von Eisengelchen in Berlin (eis-engelchen.de).