Eine männliche und eine weibliche Figur treffen bei einem Rätselspiel in Wien aufeinander. Der Frau liegt eine metallene Schlange zu Füßen. Der Mann ist vollständig bedeckt mit eingeschlagenen Eisennägeln. Jeder Nagel symbolisiert eine Spende. Aber der Reihe nach: Zum Geburtstag bekomme ich das Spiel „Monster Hunt 1918“ geschenkt. Man spielt es entlang der Ringstraße in Wien. Dafür erhalte ich ein kleines Paket mit sechs Spielkärtchen und einer Schatzkarte. Um mich vorzubereiten, lese ich alles, was ich über die Geschichte der Ringstraße finden kann. Das Alter für die Spieler ist mit 8-199 Jahren angegeben, also braucht es vielleicht gar nicht so viel Vorwissen? Ein bis sechs Spieler können teilnehmen. Die Spieldauer ist mit zwei Stunden angesetzt, wenn man Vollgas gibt. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet.
Mit einem Rätsel-Spiel in Wien unterwegs
Ein Tipp, den wir nicht beachtet hatten, die ideale Spielzeit ist unter der Woche. Denn einige Monster kann man aufgrund von Öffnungszeiten nur unter der Woche finden. Wir spielen zu viert und entscheiden uns trotzdem für Sonntag. Zwei Spieler müssen am Montag in Wien wieder ihrem Brötchenverdienst nachgehen.
Das Spiel ist zauberhaft und lehrreich zugleich. Die Schatzkarte führt uns an Orte, an denen wir alle schon oft vorbeigelaufen sind, aber eben nie genau hingeschaut haben. Achtung Spoiler, wer Monster Hunt 1918 selbst spielen möchte, sollte nun nicht weiterlesen. Für alle anderen, es gibt noch eine Reihe weiterer Themenkarten für eine Rätsel-Jagd durch Wien. Für manche Monster-Entdeckung brauchen wir ganz schön lange. Wir kommen zwar meist schnell in die richtige Gegend, rätseln aber dann meist wild herum. Deshalb enthält jede Karte als Hilfestellung vier Tipps, die man nach und nach freirubbeln kann. Wir rubbeln viel, soviel sei gesagt.
Der Wehrmann im Eisen
Zwei Monster sind mir besonders im Gedächtnis geblieben. Eines davon befindet sich an der Ecke Rathausstraße/Felderstraße. Es ist der Wehrmann in Eisen (ursprünglich hieß er Wehrmann im Eisen). Zweimal wurde er aufgestellt, das erste Mal 1915 anlässlich des Ersten Weltkriegs. Der Erste Weltkrieg hatte alles, was man sich bislang unter Krieg hatte vorstellen können, in den Schatten gestellt. Praktisch alle Männer im wehrfähigen Alter wurden eingezogen und die Zahl von Gefallenen und Verletzten war enorm. Man hatte keine Antwort auf die Frage, wie man mit den Hinterbliebenen und mit den Invaliden umgehen sollte. Zahllose Wohltätigkeitsvereine starteten Unterstützungsaktionen. Der Wehrmann in Eisen ist hierfür ein Paradebeispiel.
„…Die ursprüngliche Initiative ging vom sogenannten Militär-Witwen- und Waisenfonds aus, der – auf der Suche nach einer Geldquelle – ein Konzept entwickelte, das eine Zeit lang erfolgreich funktionierte: Er ließ die hölzerne Figur eines Ritters gegen Geld benageln. Vorbild war das bekannte Wiener Wahrzeichen, der Stock im Eisen, jener Nagelbaum aus dem Mittelalter, in den durchreisende Schmiedehandwerker einen Nagel einschlugen. Wie dieser Nagelbaum bekam auch der Wehrmann nach und nach einen eisernen Panzer, denn jeder, der eine Spende für den Witwen- und Waisenfonds leistete, durfte einen Nagel einschlagen…“ (Das Zitat steht in einem Text von Verena Pawlowsky und Harald Wendelin im Magazin Wien Museum, der Link folgt unten.)
Der Kastalia-Brunnen
Eine Geschichte mit völlig anderem Hintergrund führt uns in die Universität Wien. Hier geht es nicht um Patriotismus und Wohltätigkeit, sondern um Weisheit, und, wenn man etwas tiefer blickt, um einen sich gegen ein System auflehnenden Charakter. Die Rede ist von der Quellnymphe Kastalia, die in der griechischen Mythologie die Hüterin der Quelle der Weisheit in Delphi ist und deren mythologische Erzählung im Laufe der Jahrhunderte vielfältige Ausprägungen erfuhr. Die um 1900 entstandene Figur befindet sich im Arkadenhof des Hauptgebäudes der Universität. Dort thront die sitzende Plastik mitten im Grünen. Um ihre Füße windet sich eine Schlange aus Metall. Wir stehen vor dem Kastalia-Brunnen. Die Weisheit bezog sich am Rande bemerkt auf die Weisheit der Männer, deren Denkmäler sich im Umfeld von Kastalia im Arkadenhof befinden. Ursprünglich war für den Standort ein Reiterstandbild vorgesehen für den Stifter der Universität, Herzog Rudolf dem IV.
„…Im November 1894 teilte der damalige Minister für Cultus und Unterricht, Stanislaw Madeyski, dem Rektorat mit, dass er den vom Bildhauer Anton Paul Wagner stammenden Entwurf von der Brunnen-Figur „die Nymphe Kastalia mit dem Drachen Python“ für den Arkadenhof umgesetzt sehen wolle und auch bereit wäre, dafür die Geldmittel zu beschaffen. Einen Grund für diese Entscheidung gab er nicht an. Das Rektorat stimmte der Umsetzung des Entwurfs zu. Aufgrund des Todes von Wagner 1895 wurde der Bildhauer Edmund Hellmer mit der Umsetzung des Entwurfs beauftragt. Erst 15 Jahre später, im August 1910, wurde mit dem Aufbau der Figur begonnen…“ (Das Zitat stammt von Johann Kirchknopf aus einem Artikel über den Kastalia-Brunnen der Universität Wien. Der Link folgt unten.)
Mehr über die Geschichte der Frauen an der Universität kann man auch bei einer Führung der Universität Wien erfahren. Eine Führung lohnt sich. Darüber schreibe ich das nächste Mal ausführlich. Jetzt nur so viel: Bislang gab es noch keine Rektorin der Universität Wien. Eine drei Wände umfassende Auflistung aller bisherigen Rektoren zeugt davon im inneren der Universität.
Mehr Wissen über den Wehrmann, Kastalia und das Rätsel-Spiel:
Der noch unbeschlagene Wehrmann war vom Bildhauer Josef Müllner entworfen worden. Weitere Details zur Geschichte des Wehrmanns in Eisen findet man hier: https://magazin.wienmuseum.at/der-wehrmann-in-eisen#:~:text=N%C3%A4gel%20f%C3%BCr%20den%20guten%20Zweck&text=Der%20%E2%80%9EWehrmann%20in%20Eisen%E2%80%9C%20steht,und%20ihrer%20Versorgung%20zu%20tun.
Über Kastalia und den Brunnen erfährt man hier vieles mehr: https://geschichte.univie.ac.at/de/artikel/kastalia-brunnen-im-arkadenhof-der-universitat-wien
Unter www.citygames.wien kann man die Spielkarten für eine Rätsel-Jagd durch Wien erwerben.