„Der nächste bittä!“ An der Kantinenkassa steht eine junge Frau und schaut mich an, in ihrer Stimme liegt Ungeduld. Es ist Montagmittag, ich stehe in einer Schlange voller Menschen, jeder hat ein orangefarbenes Tablett vor sich. Kantinenambiente, Kantinenablauf, Kantinenstimmung im Justiz Café des Wiener Justizpalasts. Für über 500 Mitarbeitende ist der Justizpalast Arbeitsplatz an einem der drei dort ansässigen Gerichte oder an einer der zwei staatsanwaltschaftlichen Behörden.
Gerichtsmitarbeitende und Touristen geeint auf einen Kaffee
Ich bin, wie viele weitere Kantinengäste „nur“ Tourist. Denn die Haupthalle mit dem Treppenhaus des Gebäudes und das Café nebst Dachterrasse ist zu bestimmten Öffnungszeiten jedem Gast zugänglich. Es gilt lediglich eine Sicherheitsschleuse zu passieren, ähnlich der an Flughäfen. Die zwei Attraktionen – Treppe und Café – stehen schon lange auf meiner Liste. Zum Frühstücken habe ich es nicht geschafft, das gibt es nur bis 10 Uhr. Also esse ich hier zu Mittag. Das im Dachgeschoss gelegene Café bietet neben einer grandiosen Aussicht auf die Seitenansicht vom Parlamentsgebäude, auf die Türme vom Rathaus, auf Teile der Ringstraße und den Volksgarten
auch einen fulminanten Blick über die Dächer Wiens. Da eine Front vom Café verglast ist, kann man den Ausblick auch im Winter und an kälteren Tagen genießen. Die Stimmung ist schon etwas Besonderes, hier sitzen Mitarbeitende leise murmelnd in Gespräche vertieft neben Touristen, die sich durch einen verzückten Glanz in den Augen ob des Ausblicks per se verraten. Ein Selfie vor der Traumkulisse, voilà, es fällt nicht schwer, Touristen von Beschäftigten zu unterscheiden. Gerade diese Mischung aus betriebsamer Geschäftigkeit und staunenden Touristen macht es aus, hier zu verweilen.
Beeindruckender Ort der Gerichtsbarkeit
Nicht jeder Tourist findet den Weg bis ganz nach oben, viele sind schon geflasht von der prunkvollen Aula mit der zentralen Hauptstiege, die man wie eine Schauspielikone nach oben schreiten kann. Das bekannte Fotomotiv wird von jedem oder jeder gerne genutzt, mit oder ohne Menschen auf der Treppe.
Es gibt viele Quellen, in welchen man sich über die Geschichte und Besonderheiten vom Justizpalast informieren kann. Ich fand die Website vom Obersten Gerichtshof informativ:
https://www.ogh.gv.at/der-justizpalast/
Der Justizpalast wurde zwischen 1875 und 1881 errichtet. Heute beherbergt der Justizpalast neben dem Obersten Gerichtshof das Oberlandesgericht Wien und das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sowie die Generalprokuratur und die Oberstaatsanwaltschaft Wien.
Glasgedeckelter Arkadenhof, prunkvolle Treppe, eindrucksvolle Justitia
Der Haupteingang befindet sich an der nördlichen Gebäudeseite. Nach dem Passieren der Schleuse gelangt man über eine Tür in die große Aula. Kaum einem bleibt jetzt nicht der Mund offenstehen. Die große Zentralhalle ist ein dreigeschossiger, glasgedeckter Arkadenhof mit einer überdimensionalen und ebenfalls in Marmor geschaffenen, sitzenden Statue der Justitia. Im zweiten Stock auf der Seite des Obersten Gerichtshofs befindet sich das Große Foyer, an dessen Innenwand die Namen aller Präsidenten des Obersten Gerichtshofs in Marmor gemeißelt sind. Ebenfalls im zweiten Stock befinden sich die historisch originalgetreu rekonstruierten Verhandlungssäle des Obersten Gerichtshofs. Vor deren Eingängen sind Inschriftstafeln zur Erinnerung an die ehemaligen Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien angebracht.
Der Brand im Jahr 1927
Ein schreckliches und tragisches Ereignis bleibt untrennbar mit der Geschichte des Justizpalastes verbunden. Am 15. Juli 1927 war das Gebäude in Brand gesteckt worden. „Hierdurch wurde ein Großteil der Räumlichkeiten speziell des Obersten Gerichtshofs vernichtet und die gesamte Amtsbücherei – damals die drittgrößte juristische Bibliothek Europas – mit zahlreichen unersetzlichen historischen Dokumenten (…) sowie das untergebrachte Grundbuch für die meisten Wiener Bezirke völlig zerstört.“ Zu Beginn der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde der Justizpalast wieder hergestellt. Genaueres über den Brand findet man hier:
Generalsanierung zwischen 1994 und 2007
Zwischen 1997 und 2007 wurde das Gebäude generalsaniert. Der Architekt Robert Grossmann vom Atelier 23 fasst hierzu zusammen: "Erneuert worden ist hier so gut wie alles“…"Die gesamte Haustechnik ist erneuert worden, die Sicherheitstechnik, die Beleuchtung, viele Neubauteile. Wir haben einen Dachbodenausbau gemacht mit über 5.000 m². Es wurden neue Fluchtstiegen errichtet, die Bibliothek wurde ausgebaut, Raumressourcen wurden frei gemacht und es wurden alle Oberflächen restauriert. Eine der größten Herausforderungen war es, die große Halle zu sanieren. Die dortige Stahlkonstruktion war am Ende ihrer Lebensdauer".