Bis Ende 2023 wurde das denkmalgeschützte Palais am Schottenring 24 mit dem Namen Palais Hansen Kempinski Vienna noch von Kempinski Hotels betrieben. Ich hatte das Vergnügen, dort an einem kalten Nachmittag im Februar 2023 in der fantastischen Lobby Lounge & Bar zu verweilen. Der Weg führte mich eher zufällig dorthin, weil mein Sohn und mein Mann die Cigars Lounge für eine Zigarrenpause nutzen wollten. Ebenso zufällig gehörten wir auf diese Weise zu den letzten Gästen unter der Hotelfirmierung Palais Hansen Kempinski Vienna. Denn seit 05. März 2024 empfängt das Haus am Schottenring 24 unter neuer Marke seine Gäste.
Doch zurück zum Februar: Spontan begleite ich Mann und Sohn, bleibe dann allerdings in einer der einladenden Sitzecken der Lobby Lounge & Bar, um die wunderbare Atmosphäre zu genießen. Sofort kehrt Ruhe im Kopf ein, dafür sorgen die ansprechende Einrichtung und die zurückhaltende Höflichkeit aller Mitarbeitenden gleichermaßen. Es sind die Details, die auffallen. Mir geht zum Beispiel das Herz auf, als ich beobachte, dass ein Mitarbeiter im Laufe des Nachmittags die Sofakissen jeder Sitzecke immer wieder neu ausschüttelt, sobald ein Gast seinen Sitzplatz endgültig verlassen hat.
Bühne frei für einen besonderen Auftritt
Ein Klavierspieler sorgt für angenehme Hintergrundmusik. Draußen ist es winterlich kalt und windig. In der Lobby befinden sich eine angenehme Anzahl an Menschen, nicht zu viele, dass es unruhig wird, nicht zu wenige, dass man sich einsam und verloren fühlen könnte. Meist sind es kleine Grüppchen aus zwei bis vier Leuten, die sich leise unterhalten und Kaffee, Wein oder wie ich eine heiße Schokolade trinken. Am Rand des Raums säumen Tische das Ambiente, hier speisen auch Gäste. Ich lausche der Musik und frage mich, wer im Hotel gerade wohnt und wer, wie ich, "nur" als Lobby-Gast hier sitzt.
Irgendwann ändert sich etwas an der Stimmung und ein junger Mann mit Violine betritt den Raum und stellt sich neben das Klavier. Ein Hauch von Neugier bestimmt jetzt die Energie. Der Klavierspieler und der junge Mann wechseln kurz ein paar Worte, lächeln sich an und der Klavierspieler räumt seinen Platz.
Der junge Mann räuspert sich sichtlich nervös und stellt sich in englischer Sprache vor als Anthony Knight. Er komme von der Taunton School in England. Die Taunton School in Taunton/Sumerset ist eine im Jahr 1847 gegründete Internatsschule. Dort werden junge Menschen nach ihren Begabungen und Fertigkeiten ausgebildet. Anthony erklärt, er werde hier nun ein paar Stücke von Telemann und Bach spielen. Augenblicklich verzaubert er die Gäste der Lobby mit seinem Spiel. Ein sichtlich stolzer Mann (es ist der Vater Paul Knight, wie sich später herausstellt), filmt den 17-jährigen Anthony begeistert mit dem Handy. Ich lausche der Musik. Nach seinem letzten Stück setzt sich Anthony neben seinen Vater Paul, beide befinden sich, wie es der Zufall will, direkt neben meiner Sitzgruppe. So kommen wir ins Gespräch. Anthony und Paul Knight erzählen abwechselnd.
Ein junger Mann, ein großes Vorhaben
Anthony hat sich in den Kopf gesetzt, ein besonderes Fundraising-Projekt durchzuführen. Er sammelt Spenden für UNICEF mit seinem Violinen-Spiel. Hierfür besucht er innerhalb eines Jahres in zwölf europäischen Städten die jeweils exklusivsten Hotels, um dort nachmittags zu spielen. Er war, wie er erzählt, gerade in Berlin und wird nach Wien die Städte Prag und Budapest besuchen. Dabei ermuntert er überall die Gäste, die ihm in den Hotel-Lobbys lauschen, auf unicef.org zu spenden. Während ich den Blog schreibe, hat Paul von seinem Ziel (20 000 Euro) bereits 10 000 Euro gesammelt.
Als ich im Palais Hansen Kempinski Vienna saß, spendete eine Frau spontan einen größeren Betrag. Sie war sichtlich überwältigt von der Spendenidee und der entschlossenen Kraft, die der junge Anthony ausstrahlt.
Auch ich ziehe den Hut vor dieser Idee. Ganz besonders beeindruckt mich die Rahmenbedingung, unter der der junge Mann seine Idee durchführt. Dass es sich hier nicht um eine leichte Vergnügungsreise handelt, wird mir spätestens nach dem Auftritt klar. Nach unserer Plauderei und einer kurzen Zeit der Erholung in der Lobby zieht sich Anthony zurück, um aus dem feinen Auftrittszwirn in Alltagskleidung zu schlüpfen. Die Spendentournee kostet auch sichtlich Kraft. Nach dem Gastspiel verlässt die Familie Knight eilig das Hotel, nicht ohne sich vorher noch bei allen interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern mit einem Winken und einem Dank zu verabschieden.
Ich bleibe noch eine Weile sitzen und warte auf meine Männer. Dabei genieße ich die typische Atmosphäre des exklusiven Hotels mit der typischen Unaufgeregtheit bei gleichzeitig sehr aufmerksamem Personal. Ab und zu kommen Hotelgäste über den verglasten Aufzug in die Lobby gefahren, um sich mit Freunden zu treffen, andere Hotelgäste kommen mit vom Wind zerzausten Haaren und roten Nasen aus der Kälte, die an dem Tag in Wien herrscht, um sich sichtlich freudig der wärmenden Lobby-Atmosphäre zuzuwenden oder sich mit dem Aufzug zu ihren Suiten zu begeben.