Ein geniales und wirklich empfehlenswertes Geschenk: Ein Street Photographie Kurs in Stuttgart. Voller Freude machte ich mich auf den Weg. Zwei Tage hatte ich eingeplant, einen für den Kurs, einen für einen Pflichttermin und um das Erlernte auszuprobieren. Die Gruppe traf sich mit dem Fotografen in einem Café in der Stuttgarter Innenstadt. Das Wetter war gelinde gesagt besch... - das sollte uns aber nicht schrecken. Sieben Teilnehmende, drei Frauen, vier Männer hatten sich angemeldet. Alle, bis auf eine junge Frau geschätzt zwischen 45 und 60 Jahre alt. Alle mit einer Systemkamera bewaffnet. Zuerst ging es darum, zu klären was Street Photographie bedeutet.
Street Photografie erzählt Geschichten
"Es müssen", so der Fotograf, "egal ob im Vorder- oder im Hintergrund, immer Menschen drauf sein." Ok, und das Thema Einverständnis? Die Frage stellten alle über 50. Eine genaue Antwort gibt es nicht, das muss dann wohl jeder mit seinem Gewissen oder über eigene Recherche zum Thema Recht klären. Das zweite große Thema: Beobachtungsgabe und Mut. "Ihr müsst Szenen beobachten, Spannendes darin entdecken und den Mut haben, drauf zu halten." Gut, das bekomme ich hin, denke ich. Nach der Theorie geht es für eine Stunde auf die Straße. Jede und jeder für sich. Die Stunde ist unglaublich, ich beobachte Situationen, die mir sonst nie aufgefallen wären. Die Zeit vergeht wie im Flug, ich halte drauf, wo es geht. Der gesamtem Gruppe geht es eigentlich so - alle kommen, obwohl es inzwischen mit Nieselregen bei 8 ° C ziemlich ungemütlich ist, grinsend zum Treffpunkt zurück. Einer musste ein Foto löschen, weil der fotografierte Passant sich beschwert hat. Das ist völlig in Ordnung. Nach einer weiteren Runde alleine Fotografieren treffen wir uns zur Abschlussbesprechung in einer Currybude und geben uns gegenseitig Support. Der Workshop war durchwegs gelungen!
Und der Bauch? Hammer, Hammer!
Am nächsten Morgen nach der Pflicht die Kür. Kamera um den Hals und ab geht es. Ich streife durch die Innenstadt. Dann beschließe ich, mit dem Bus zum Bismarckturm zu fahren. Den Tipp habe ich von der netten Begegnung an der Weinsteige. Vom Bismarckturm aus hat man einen Blick in alle Himmelsrichtungen. Das ist allein schon einen Ausflug wert. Sonntags kann man den Turm auch besteigen. Ansonsten lässt es sich hier gemütlich auf einer Parkbank chillen. Ich beschließe, in die Stadt zurückzulaufen. Dabei mache ich Halt im Chinesischen Garten. Vom Eingang aus beobachte ich eine Szene, die meinem Lehrmeister, dem Street Photographie Fotografen, gefallen hätte: Ein Fotograf älteren Semesters in weißem Feinripp-Unterhemd (das Wetter war im Vergleich zum Vortag bei 22 ° C und Sonne genial) fotografiert zwei junge Frauen. Diese müssen abwechselnd den Faltreflektor zum Abschatten hoch heben, während die jeweils andere in Pose sitzt. Das sitzende Model fragt zögerlich "Und mein Bauch?" Der Fotograf, der seinen Bauch lediglich unter Feinripp versteckt, brüllt: "Hammer, Hammer!"
Mich lässt die Szene etwas nachdenklich zurück. Bei meiner ersten Street Photographie-Tour sehe ich mehr, beobachte ich mehr. Eine Frau mit zwei (gefakten) Gucci-Bags und einer Aldi-Tüte am selben Arm, mindestens drei auf der Königsstraße sich in Hausecken einmummelnde Menschen, die dort offensichtlich (für die Nacht) wohnen, einen liebevoll seine Blumen zusammenstellenden Blumenhändler und eben die jungen Frauen im Chinesischen Garten. Der urbane "Spielplatz" offenbart bei genauem Hinschauen Blicke hinter die Kulissen.